«Nachhaltigkeit muss aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll sein»

Emmanuel Oertlé Wirtschaft, Ressourcen, Klima, Energie
Wirtschaft, Ressourcen, Klima, Energie
  • Text: Regula Wenger
  • Foto 1-3: Roland Schmid; Foto 4: Campus 2005: apochroma Fotografie / Firmenarchiv Novartis; Foto 5: Campus 2022: Alu Arts / Novartis

Kurzprofil

Lead Environmental Sustainability bei Novartis

www.novartis.ch

Logo Novartis

Emanuel Oertlé

1/5 Emmanuel Oertlé ist bei Novartis für Nachhaltigkeit am Standort Basel zuständig. Das Pharmaunternehmen plant, bis 2040 das Netto-Null-Ziel zu erreichen, bis 2030 soll bereits die gesamte Lieferkette CO2-neutral sein.

«Nachhaltigkeit muss aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll sein»

Emmanuel Oertlé

Emmanuel Oertlé ist auf dem Novartis Campus Ansprechperson für alles, was mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu tun hat. Um herauszufinden, ob eine Massnahme oder ein Produkt nachhaltig ist, erstellt er zuerst eine Ökobilanz. Für ihn gelten klar definierte Nachhaltigkeitsregeln. Vor allem muss eine Massnahme messbar sein.

Emmanuel Oertlé
Wirtschaft, Ressourcen, Klima, Energie
  • Text: Regula Wenger
  • Foto 1-3: Roland Schmid; Foto 4: Campus 2005: apochroma Fotografie / Firmenarchiv Novartis; Foto 5: Campus 2022: Alu Arts / Novartis

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Was ist besser: Wenn Novartis die Laborkittel für Besucherinnen und Besucher nach nur einer Benutzung wegwirft, oder wenn die Kittel zwar wiederverwendet, sie deshalb aber gewaschen und transportiert werden müssen? Das ist nur eine von unzähligen Fragen, auf die Emmanuel Oertlé täglich Antworten sucht. Der gebürtige Lausanner ist Lead Environmental Sustainability beim Basler Pharmaunternehmen und damit Ansprechperson für alles, was auf dem Novartis Campus mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu tun hat. Nachdem er Chemieingenieurwissenschaften an der ETH Lausanne studiert hatte, betreute er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) diverse Umweltprojekte in über 25 Ländern. «Unter anderem trainierte ich Experten in der Ukraine, die ihrerseits Firmen begleiten, um deren Umweltleistungen zu verbessern», erklärt der 40-Jährige. Weiter betreute er Projekte zur erneuten Nutzung von verschmutztem Wasser und zur Verringerung von Wasserverlusten in Entwicklungsländern.

«Eine Massnahme muss messbar sein: in weniger CO2, in Energieeinsparung oder reduzierter Abfallmenge.»

Emmanuel Oertlé

Emanuel Oertlé

Emmanuel Oertlé ist bei Novartis für Nachhaltigkeit am Standort Basel zuständig. Das Pharmaunternehmen plant, bis 2040 das Netto-Null-Ziel zu erreichen, bis 2030 soll bereits die gesamte Lieferkette CO2-neutral sein.

Nach wie vor doziert Oertlé an der FHNW zum Thema Ökobilanzierung, aber nur noch «on top». Seit zweieinhalb Jahren ist er zu 100 Prozent bei Novartis angestellt. Ein Arbeitstag auf dem Campus kann für ihn mit einer Sitzung bei der Finanzchefin Schweiz beginnen und mit einem Rundgang zum Thema Energieeffizienz mit den verschiedenen Gebäudeverantwortlichen enden. Oertlé: «Mit der Leitung des Hauswartteams bespreche ich regelmässig, wie wir die Parameter noch optimieren können. Ziel ist, den Komfort der Beschäftigten zu gewährleisten und gleichzeitig die Gebäudetechnik im Rahmen der Energieeffizienzziele zu verbessern.»

Abfallcontainer für Sondermüll auf dem Novartis Campus.

Der Abfall aus den Labors muss grossteils mitsamt den Eimern in der Sondermüllverbrennungsanlage verbrannt werden. Emmanuel Oertlé und Team liessen die Kübel aus neuem Kunststoff durch solche aus recyceltem Plastik ersetzen.

Fast täglich gelangen Firmen an Oertlé, die das Pharmaunternehmen mit Produkten und Dienstleistungen beliefern oder dessen Abfall mit innovativen Lösungen entsorgen möchten. «Für mich muss Nachhaltigkeit aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll sein», sagt er. Deshalb wende er Tools zur Ökobilanzierung an. Damit könne man die Umweltauswirkungen von Produkten und Dienstleistungen messen und komplexe Lebenszyklen analysieren. Für ihn sind klar definierte Nachhaltigkeitskriterien wichtig: «Eine Massnahme muss messbar sein: in weniger CO2, in Energieeinsparung oder reduzierter Abfallmenge. Zudem sollte sie kommunizierbar, wirkungsvoll, akzeptierbar und auch finanziell sinnvoll sein.» Wie sich ein Grossunternehmen verhält, hat auch Auswirkungen auf die Firmen, mit denen es zusammenarbeitet. «Wir verpflichten zum Beispiel unsere Zulieferer, dass ihre Produkte mit unseren Zielen kompatibel sind.» Unter anderem möchte Novartis, dass die gesamte Lieferkette bis 2030 CO2-neutral wird.

 

«Wir verpflichten zum Beispiel unsere Zulieferer, dass die Produkte, die wir beziehen, mit unseren Zielen kompatibel sind.»

Emanuel Oertlé

Abfall als wertvolle Ressource nutzen: Emmanuel Oertlé arbeitet mit verschiedenen Anbietern zusammen, um Abfallströme zu optimieren. Auf dem Campus in Basel wird nahezu alles recycelt, was möglich ist.

Oertlés Job ist es, in Kooperation mit anderen beteiligten Teams das Unternehmen stetig nachhaltiger zu machen und griffige sowie effiziente Massnahmen umzusetzen. Verbesserungspotenzial besteht etwa in den Laborgebäuden. Diese brauchen dreimal so viel Energie wie normale Bürogebäude. Das hänge mit der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz, der nötigen Luftzirkulation und den vielen Geräten zusammen, erklärt Oertlé, der deshalb eine Kampagne durchgeführt hat: «Dank einfachen Aufklebern wissen nun alle, welche Geräte nachts ausgeschaltet werden können und welche nicht.» Neben der Energie ist in den Labors auch der Abfall ein Thema: Je nach Kategorisierung landet er in der Sondermüll- oder in der Kehrichtverbrennungsanlage. «Die nur einmal genutzten Abfalleimer, die mit dem Müll verbrannt werden, haben wir durch Kübel aus recyceltem Plastik ersetzt. Damit sparen wir bis zu 30 Prozent CO2 ein.»

Luftbild des Novartis Campus nach dem Umbau.

Heute stehen auf dem Novartis-Campus über 2000 Bäume und es wird grossen Wert auf nachhaltige Gebäudeentwicklung gelegt. So besteht die gesamte Tragkonstruktion des Pavillons (das runde Gebäude unten rechts) aus Holz; die Fassade ist mit etwa 10‘000 organischen Photovoltaik-Zellen sowie mit LEDs ausgestattet.

Den Klimawandel, meint der Wissenschaftler, habe er seinen Studentinnen und Studenten schon erklärt, bevor Greta Thunberg an die Öffentlichkeit trat. Als ehemaliger Skilehrer blickt er betroffen auf die schwindenden Gletscher in der Schweiz. Er sei kein Fundamentalist, Sorgen mache er sich aber schon. «Nicht nur in Marokko, auch in der Schweiz haben wir ein Wasserproblem, wenn wir im Hochsommer Kühen mit dem Helikopter Wasser auf die Alp bringen müssen.» In seiner Freizeit engagiert sich Oertlé in einer Kooperationsplattform für Kreislaufwirtschaft im Bereich Life Science. Sein Heimweg führt ihn auf dem Velo vom Campus über den Rhein in die Schorenstadt. In der 2000-Watt-Siedlung auf einem ehemaligen Novartis-Gelände lebt er mit seiner Frau und den beiden Töchtern. Privat achte er darauf, nicht immer alles neu zu kaufen, weder das Fahrrad noch die Kleider der Kinder. Apropos: Was ist jetzt mit den Laborkitteln? «Bereits nach wenigen Waschzyklen», meint Oertlé, «ist ein wiederverwendbarer Mantel sicher besser als Einweg. Und das setzen wir auch so um, wenn unter anderem die Arbeitssicherheit und die Logistik es erlauben.»

Publiziert im Februar 2024

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